Seelsorgliche Begleitung am Lebensende

Sie erzählt von der Angst, die sie manchmal ergreift

Seelsorgliche Begleitung am Lebensende

„Ich weiß, dass es Dein Wunsch ist, aber ich möchte Dich eigentlich lieber bei mir behalten.“ Es fällt ihm schwer, sich am Ende des ersten Tages von seiner Frau zu verabschieden. Müde und blass liegt sie beim Abschied in ihrem Bett, erschöpft von all den neuen Eindrücken. Sie kommt aus der Nachbarstadt, aber ihr Mann arbeitet in der Nähe des Hospizes und deshalb hat sie ihre Entscheidung für dieses Haus getroffen.

Hospiz – Herberge, ein Wohn- und Lebensort für Schwerstkranke in ihren letzten Lebenswochen und -tagen. Für sie ein neues Zuhause, gewollt und dennoch fremd:
„Wie lange werde ich hier sein? Welche Erfahrungen werde ich machen? Kann ich mich in diesem Haus einleben?
Alles ist fremd: das Zimmer, die Geräusche, die Menschen. Aber: wenn es schlimm wird mit mir, wenn ich wieder keine Luft bekomme, dann kann ich nach Hilfe klingeln, es ist immer jemand in der Nähe, rund um die Uhr – das gibt mir Sicherheit.“

„Du weißt, dass es mir hier gut geht. Morgen nach der Arbeit kannst Du wieder wiederkommen. Aber jetzt brauchst Du Deinen Schlaf und ich auch.“ Sie macht ihm Mut zu gehen und sie macht sich Mut zu bleiben.
Am nächsten Tag erzählt sie mir, der Seelsorgerin, von diesen ersten Stunden im Hospiz, von den Gedanken und Gefühlen, die sie begleitet und bedrängt haben. Und von der ersten Nacht. Sie fragt: „Wie wird mein Sterben sein?“ Und sie erzählt von der Angst, die sie manchmal ergreift, wenn sie allein ist.

Sie kommt sich vor wie eine Fremde in der eigenen Lebensgeschichte – so schwach wie heute ist sie nie gewesen. Sie fängt an zu erzählen und unter ihrer Blässe schimmert ein Strahlen auf, wenn sie von ihrer Arbeit beim Rundfunk erzählt, von den vielen Menschen, die mit ihr verbunden sind, von der Familie. Plötzlich ist das Zimmer voller Menschen und Geschichten, da blüht noch einmal viel Lebenskraft auf. Sie lädt mich ein, noch einmal mit ihr den Wanderwegen durch die Dolomiten zu folgen. Wir genießen bei unserem Gedankenspaziergang die Sonnenstrahlen, die durchs offene Fenster auf ihr Bett fallen. Sie hat einen großen Schatz an Lebenserinnerungen in sich und es macht ihr Freude, diesen Schatz mit mir zu teilen.

„Das Leben hat es gut mit mir gemeint“, sagt sie dankbar im Rückblick. Traurig blickt sie nach vorne in die Zukunft ihrer Familie. Es tut ihr weh zu wissen, dass sie den Sohn nicht durchs Studium begleiten kann, aber sie ist davon überzeugt, dass er seinen Weg gehen wird.

Angesichts ihres eigenen Weges vertraut sie mir ihre Unsicherheiten und Zweifel an. Und sie fragt mich: „Wissen Sie, wie es aussieht auf der anderen Seite?“ Nein, wir wissen es beide nicht, aber wir sind eng miteinander verbunden, als wir zusammen den 23. Psalm beten: „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich.“

Inzwischen ist sie gestorben. Wir haben Gott um seine Wegbegleitung und um seinen Trost gebeten – und es gab in ihren letzten Lebenswochen im Hospiz immer wieder Momente, in denen sie deutlich gespürt hat: „Er ist mit mir auf meinem Weg.“